Wirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit, Protestbewegungen – Europa erlebt gerade ein Déjà-vu. Welche Folgen lang andauernde Arbeitslosigkeit hat, wurde erstmals vor 80 Jahren wissenschaftlich erforscht: in der Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“.
1930 musste die Textilfabrik „Marienthal“ südlich von Wien infolge der Wirtschaftskrise schließen. Aus 1.300 ArbeiterInnen wurden 1.300 Arbeitslose. 15 junge WissenschaftlerInnen machten sich – auf Anregung Otto Bauers – auf, das Phänomen der Arbeitslosigkeit zu ergründen. Wegweisend an der Marienthal-Studie war die Kombination der angewandten Methoden, von denen viele erst im Laufe der Erhebungen entwickelt wurden. Das Forscherteam erstellte Statistiken und legte Katasterblätter an, führte Befragungen durch und notierte Lebensläufe, analysierte Schulaufsätze und Zeitverwendungsbögen.
Die Studie erschien 1933 in einem Leipziger Verlag. Erst die Neuausgabe im Jahr 1960 machte sie einem größeren Leserkreis zugänglich. Und mit der englischsprachigen Ausgabe 1971 wurde „Die Arbeitslosen von Marienthal“ endgültig zum Klassiker der empirischen Sozialforschung. Auch die an der Studie beteiligten WissenschaftlerInnen – unter ihnen Paul Felix Lazarsfeld und Marie Jahoda, die als junges Ehepaar ab 1929 im Karl-Marx-Hof wohnten, sowie Hans Zeisel – machten erst im Exil Karriere.
Unter den Schlussfolgerungen der Marienthal-Studie ist jene der „müden Gemeinschaft“ von besonderer Brisanz. Marie Jahoda brachte es 1981 auf den Punkt: „Arbeitslosigkeit führt zur Resignation, nicht zur Revolution.“
Zur Eröffnung der Sonderausstellung sang der Wiener Beschwerdechor.
Dauer der Sonderausstellung
12.9.2013 – 1.5.2014
KuratorInnen
Lilli Bauer und Werner T. Bauer
Wissenschaftliche Beratung
Reinhard Müller
Grafik
Karin Pesau-Engelhart und Klaus Mitter
Lektorat und Übersetzung
scriptophil. die textagentur